Seit mehr als einem Jahr beschäftige ich mich jetzt nun mit dem analogen Großformat und was soll ich sagen, ich finds immer noch affengeil. Bin sogar mehr denn je fasziniert von der analogen Fotografie, als zu Beginn meiner fotografischen Karriere. Kleinbild oder gar Mittelformat finde ich dagegen nicht so spannend. Mittelformat eventuell mit der richtigen Kamera und ein paar netten Objektiven.
Wie dem auch sei, der Grund für den Artikel sind Leserfragen und daher möchte ich euch im Rahmen eines Beitrags meine Antwort geben. Im Großen und ganzen drehen sich die Fragen, wie ich denn die korrekte Belichtungszeit bei meinen analogen Langzeitbelichtungen ermittle, welche Filme und welche Hilfsmittel ich verwende. Was für den Planfilm einer Großformatkamera, gilt natürlich auch für Aufnahmen im Mittel,- oder Kleinbildformat. Daher bitte nicht daran stören, dass ich in den nächsten Zeilen immer vom Großformat sprechen werde.
Folgende Filme kommen derzeit bei mir zum Einsatz
Schwarzweiß-Negativ
Kodak T-Max 100*
Ilford FP 4 Plus* (125 Iso)
Farbnegativ
Kodak Portra 400*
Kodak Ektar 100*
Farbdiapostiv
Fuji Velvia 100*
Fuji Provia 100F*
Gerade am Anfang steht man vor der Frage, welche Belichtungszeit ich nehmen soll, denn auch wenn die Filme unterschiedlicher nicht sein könnten, eines haben Sie gemeinsam. Die Reziproziät auch Schwarzschildeffekt genannt. Es bedeutet, dass mit zunehmender Belichtungszeit die Lichtempfindlichkeit des Filmes abnimmt. Wann diese Reziprozität beginnt, hängt vom verwendeten Film ab. Sie kann bereits bei 1 Sekunde (SW-Negative) oder aber erst bei 2 Minuten (Farbdiapositiv) zuschlagen. Wie lange die anschließende „Zusatzbelichtung“ dauert hängt ebenso vom verwendeten Film ab.
Wie ihr seht, sind hier viele Fehlerquellen möglich, die einem die analoge Aufnahme gründlich versauen könnte. Da Planfilme sehr teuer sind, wollte ich mir natürlich eine lange Try and Error Phase ersparen. Also habe ich mich auf die Suche nach Infos gemacht, doch gefunden habe ich nur sehr wenig. Hauptgrund ist, dass die Hersteller hierüber wenig Infos rausgeben, da man sie sonst zur Rechenschaft ziehen könnte, wenn es mit der Belichtungszeit doch mal nicht klappen sollte und der Film hinüber ist. Wir kennen ja alle den Fall, bei dem eine Amerikanerin ihre Katze in der Mikrowelle getrocknet hat stand ja nicht explizit in der Anleitung, dass man das nicht machen sollte. Gut, jetzt findet man einen Warnhinweis.
Zurück zum Thema. Die Korrektur der Belichtungszeiten sind meine ganz persönlichen Erfahrungen, mit denen ich aber immer gut gefahren bin. Bisher habe ich noch keinen Planfilm dermaßen unterbelichtet, dass er nicht zu retten gewesen wäre. Ziel einer korrekten Belichtung von analogen Bildmaterial sollte immer auf die Schatten gehen. Ist hier keine Zeichnung vorhanden, geht nichts mehr mit aufhellen. Schwarz bleibt schwarz. Dagegen sind die Lichter genügsam. Das ist auch der große Vorteil von Negativfilm. Selbst wenn auf dem Negativ zu wenig Zeichnung zu sehen ist… hier geht immer etwas. Ausnahme bilden Farbpostive. Diese sind in Sachen korrekte Belichtungszeit etwas zickig. Sie benötigen schon genauere Belichtungswerte.
Meine Faustregel bei S/W und Farbnegativen ist immer 2-4x Mal solange belichten wie ihr die ursprüngliche Belichtungszeit ermittel habt. Im Bereich von 1-5 Sekunden würde ich immer doppelt solange belichten. Das reicht hier dicke aus. Errechne ich einen Ausgangswert ab 15 Sekunden belichte ich grundsätzlich 4 mal länger. Meine längste Aufnahme kam so auf 8 Minuten, wobei der Belichtungsmesser ursprünglich 120 Sekunden angezeigt hatte.
Die „neuen“ Farbdiapositive haben wirklich excellente Belichtungseigenschaften. Hier gibt der Hersteller Fuji sogar an, dass bei Belichtungszeiten von bis zu 2 Minuten kein Schwarzschildeffekt auftritt , also auch keine Verlängerung der Belichtungszeit nötig ist. Das ist natürlich super, da man sich keine Gedanken über die korrekte Zeit machen muss. Ab zwei Minuten wird die doppelte Belichtungszeit vorgeschlagen. Mehr als 8 Minuten sollte man allerdings keine Diapositive belichten. Hier kommt es dann zu Farbschiebungen usw….
Apropos Belichtungsmesser. Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen, die keinen Belichtungsmesser ala Sekonic usw.. verwenden. Ich nutze nach wie vor mein Iphone und betrachtet man die Bilder, kann ich mich nicht beschweren. Zumal mit die passenden Iphone-App (Pinhole Assist) auch für viele Filmtypen die Reziprozität berechnet. So habe ich zumindest einen guten Anhaltspunkt für die Belichtungszeit. Erscheint mir die berechnete Zeit zu wenig, geb ich einfach noch 10-30 Sekunden dazu. Bei Belichtungen im Minutenbereich ist das der Aufnahme sowieso egal. Hauptsache nicht unterbelichten, denn absaufende Schatten im Negativmaterial ist für den Betrachter viel störender als ausfresseden Lichter sofern sie überhaupt auftreten.
Achja, bevor ich es vergesse. Bei allen Filmherstellern finden sichimmer noch passende Korrekturfilter für lange Belichtungzeiten. Ich verwende keinen Filter, auch den berühmten Centerfilter fürs Großformat nicht. Die gerade beim Weitwinkel enstehende natürlich Vignettierung nutze ich entweder als Gestaltungsmittel oder aber ich retouchiere sie in PS raus…
Ich hoffe, ich konnte dem einen oder analogen Fotografen etwas weiterhelfen. Fragen einfach in Form eines Kommentars posten. Dann haben alle Leser etwas davon.
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19 Kommentare
Fuer Schwarz-Weiss-Filme gibt es hier eine recht gute Grafik zur Belichtungskompensation: http://www.flickr.com/photos/lennox_mcdough/6329111958/lightbox/
Danke Dir… allerdings handelt es sich bei dieser Grafik nur um S/W Filme und das der Ersteller der Grafik beispielsweise bei einem T-Max 100 und 1000 Sekunden Sekunden Belichtungszeit nur eine Blende hinzugibt halte deutlich für viel zu wenig.
Laut dem Tech-Sheet von KODAK ist ab 100 Sekunden etwa +1 Blende noetig. Nachdem der Schwarzschildeffekt an sich nur ein „Wahrscheinlichkeitseffekt“ ist, kann man recht einfach eine lineare Regression der Inkrement-Werte, die Kodak empfiehlt, machen.
Kodak macht es im Tech-Sheet des Tri-X richtig und gibt eine Grafik an, waehrend die inkrementellen oft einen Fehlschluss zulassen (1-9 Sekunden: +1/3 Blende; 10-99 Sekunden: +2/3 Blende; 100 Sekunden und mehr: +1 Blende)
Da macht es sich Kodak aber relativ einfach. Müssen sie wahrscheinlich auch, sonst käme man zu keiner Aussage. Immerhin spielen bei Langzeitbelichtungen, gerade am Tag, auch veränderte Wettersituation während der Aufnahme ein Rolle. Hier muss dann sowieso improvisiert werden.
Das stimmt – wobei die Entwicklung / Ausbelichtung an sich noch eine wichtigere Rolle bei B+W spielt.
Schöner Beitrag mit noch schoeneren Bildern.
Zum Thema: Der Fuji Acros 100 benötigt bis 2min keine Korrektur, der waere doch einen Blick wert 😉
PS: das Vorletzte Bild ist aber noch stark an der Farbe nachbearbeitet oder? Wuerde jetzt keinen der von dir genannten Filme zuordnen.
PPS: Entwickelst warscheinlich selbst oder? Schreib doch hierrueber mal, denke das Interesse waere groß
Ja, das vorletzte Bild wurde in der Bearbeitung einem Crossprocessing unterzogen. Aufgenommen mit Fuji Velvia und einem ND Filter der Stärke 3.0. Ehrlich gesagt lasse ich die Negative vom Labor entwickeln. Ich hätte zwar die Möglichkeit die Negative selbst zu entwickeln um so natürlich mehr Einfluss nehmen zu können, aber habe einfach die Zeit nicht dazu….
An alle… Zum besseren Verständnis. Mit 2x mehr Belichtungszeit meine ich eine ganze Blende und bei 4x zwei Blendenstufen.
Dankeschön, Ronny.
Da ich auch im analogen Mittelformat unterwegs bin kommt mir der Artikel gerade recht…
probier mal Fuji Acros, unter 2 Minuten braucht der überhaupt keine Korrektur, darüber bis 15 Minuten nur eine Blende maximal.
Das werde ich mal testen…
[…] Langzeitbelichtungen sind dank des Schwarzschildeffekts gar nicht ohne. Ronny von Blogtimes gibt nützliche […]
Interessant, das aktuelles Material inzwischen Langzeitstabiler ist als ich damit anfing. Vor fünfzehn-zwanzig Jahren auf Diafilm hab ich mich rangetastet und kam bei Mondlicht auf 5 Minuten und Wald/Grün dann eher 8 Minuten, Schnee war weniger 🙂
Da sind dann die Digitalkameras eine wahre Erleichterung gewesen.
Jedoch der Acros… das lohnt einen Film zu testen. Weil fünf Minuten bei f5,6 ergibt bei f2 🙂
Wow, das sind wunderschöne Bilder! Der Artikel macht irgendwie Lust, die alte, analoge Ausrüstung aus dem Keller zu holen 😉
Moin,
ist vielleicht keine Frage, die direkt Belichtungszeiten betrifft, aber mich würde es freuen, wenn du mir sagst wie du mit den belichteten 4×5 Filmen umgehst. Wo verwahrst du sie bis zu Entwicklung? Wie kann man die Filme vor Licht schützen?
Danke und Gruß
Dominik
Also die Belichteten Filme kommen bis zur Entwicklung in leere Filmschachteln. Hier sind sie ausreichend gegen Licht geschützt… Du brauchst hier natürlich eine mobile Dunkelkammer. Ich nutze ein Dunkelkammerzelt von Calumet, klein und falbar.
Ich habe zum ersten mal die Lochkamerafunktion an meiner Diana F+ ausprobiert und mich bei der Belichtung an ihren Erfahrungswerten orientiert.
Ich habe den Film eben grade entwickelt, und bis auf ein Bild, dass unterbelichtet ist, sehen alle Negative vielversprechend aus 🙂
Danke!
super!! Das freut mich für dich!
Hallo Ronny, hab Dank für diesen fundierten Beitrag.
Wie stoppst Du lange Belichtungszeiten an Deinen Analog-Systemen? Drahtauslöser und auf die Stoppuhr kucken? Oder gibt es da ein Hilfsmittel (Timer), das man am Drahtauslöseranschluss der Kamera andocken kann?
Schöne Grüße, Hermann
Genau… Drahtausloeser und auf die Uhr schauen…. 🙂